Über 11 Jahre habe ich DIE LINKE voller Herzblut unterstützt, knapp 9 Jahre davon als Mitglied und in aktiver Funktion. Jetzt geht die gemeinsame Reise zu Ende. Es schmerzt, weil ich seit meiner Jugendzeit mein Leben zusammen mit der Partei den Menschen und unseren politischen Zielen gewidmet habe und dabei so viele tolle Genossinnen und Genossen kennenlernen durfte. Es haben sich viele Freundschaften gefunden. Wir hatten so viele schöne Abende und Wochenenden, die wir gemeinsam verbringen konnten und für die ich mich bedanken will.
Ob mit 16 Jahren ins Haifischbecken von Bundesparteitagen geworfen zu werden, die zahlreiche Vorstandsarbeit in den verschiedensten Kreis-und Ortsverbänden zu bewerkstelligen oder die vielen Wahlkämpfe zu erleben, die ich organisiert und bestritten habe, es sind unfassbar viele Erfahrungen. Sie alle haben mich geprägt und bestärkt weiter Politik zu machen für die Menschen, die auch eine starke linke Kraft in diesem Land brauchen.
Deshalb werde ich auch in Zukunft politisch aktiv sein.
Mein Austritt aus der Partei DIE LINKE erfolgt gemeinsam mit 7 anderen Genossinnen und Genossen in Oberberg. Vor dem Hintergrund möchte ich euch unsere gemeinsame Austrittserklärung nicht vorenthalten:
Gemeinsame Austrittserklärung von 8 Mitgliedern aus Oberberg
Liebe Mitglieder der Partei Die Linke,
schweren Herzens verkünden wir unseren Austritt aus der Linken. Viele Jahre waren wir aktiv als Kommunalpolitiker, Mitstreiter und Wahlkampfhelfer vor Ort. Wir haben viele Freundschaften geschlossen und gemeinsam für unsere politischen Ideale gekämpft. Manche haben diese Partei und ihren Vorgänger über Jahrzehnte mitaufgebaut, als es im Oberbergischen noch keine Strukturen gab. Diese Partei war jahre- und jahrzehntelang unsere politische Heimat. Wir alle haben viel Herzblut, Zeit und Geld hineingesteckt.
Auch wenn der Abschied schwer fällt, er ist bitter notwendig. Wir können die Fehlentwicklungen nicht mehr mittragen. Viel zu lange wurden uns Misserfolge als Erfolge verkauft. Viel zu lange wurde von Comebacks und Erneuerungen gesprochen, ohne etwas an dem gescheiterten Kurs zu ändern. Viel zu lange setzt der Parteivorstand schon auf ein stumpfes Weiter-So, statt ernsthaft Fehler zu analysieren und aus den permanenten Wahlniederlagen, die wir seit 2019 erleben, die richtigen Lehren zu ziehen. Schon viel zu lange wurde die Verantwortung von sich gewiesen und mit dem Finger immer wieder auf andere gezeigt. Das machen wir nicht mehr mit.
Für uns war die Pluralität in der Partei stets eine zentrale Säule. Mitglieder mit unterschiedlichen Ansichten konnten sich jeweils in ihren Strömungen einbringen. Auch waren sie stets in Parteivorständen entsprechend ihrer Repräsentanz unter den Basismitgliedern vertreten. Dieser pluralistische Konsens wurde aber aufgekündigt. Traditionelle Linke, die sich deutlich stärker auf Gewerkschaften, Lohnabhängige und Erwerbslose konzentrieren wollen, finden keine Berücksichtigung mehr. Stattdessen dominieren und besetzen alle zentralen Schlüsselpositionen in Vorständen Bewegungsorientierte, die den Fokus mit identitätspolitischen Themen einzig und allein auf ein aktivistisches, urbanes Großstadt-Milleu legen und aus der Linken eine Grüne 2.0 zu formen versuchen, sowie Regierungslinke.
Wir haben versucht uns einzubringen und ernsthafte Debatten zu führen, wie wir den Schwerpunkt wieder auf unsere Kernthemen wie soziale Gerechtigkeit sowie Frieden setzen können, wie wir wieder populärer und erfolgreicher bei Wahlen werden. Das war uns nicht möglich. Stattdessen haben wir viel zu oft erlebt, wie die Medien als Akt der Selbstdemontage genutzt und prominente Gesichter unserer Partei immer wieder angegriffen wurden, weil sie angesichts der Wahlniederlagen zurecht den Kurs der Partei kritisiert und hinterfragt haben. Immer wieder wurden interne Informationen aus Sitzungen an Spiegel und Co. durchgestochen. Eine ernsthafte Beschäftigung mit den strategischen Fehlern der Partei war nicht mehr gewünscht. Mediale Schlammschlachten haben solidarische und konstruktive Diskussionen um den richten Kurs der Partei ersetzt. Wir stellen fest, unsere Positionen finden keinen Platz mehr in der Partei.
Statt das Potential von Sahra Wagenknecht bei Wählern zu erkennen und sie stärker in die Partei zu integrieren, gab es eine Welle des Hasses gegen sie und ihre Unterstützer. Über Jahre wurde Wagenknecht immer wieder für die Taten und Aussagen anderer in Sippenhaft genommen. Es folgten Unterschriftenkampagnen, Ausschlussanträge, Diffamierungen und permanentes Mobbing. Keine ihrer öffentlichen Äußerungen blieb von Vertretern des Parteivorstandes umkommentiert. Die Kritik war stets überzogen und konstruiert. Wir sahen wie ein illiberales Diskursverständnis zunehmend unser bisheriges Liberales ersetzte. Es folgte die Ausgrenzung derjenigen, die Kritik am Kurs der Partei äußerten. So sollte bei der Linken im Kreisverband Oberberg den Mitgliedern sogar jegliche Werbung zur Bundestagswahl 2021 mit der NRW-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht untersagt werden. Das konnten und wollten wir nicht akzeptieren. Der Beschluss des Parteivorstandes, in der es heißt, die Zukunft der Linken sei eine ohne Sahra Wagenknecht, markierte für viele von uns einen Schlussstrich. Die Verbannung unseres populärsten Gesichtes konnten und können wir nicht mitgetragen.
Auch wollen wir nicht länger mehr die Ausreden des Parteivorstands mittragen, in denen Wagenknecht die Schuld für die verlorenen Wahlen der letzten Jahre zugewiesen wird. Im Gegenteil. Mit ihr erreichten wir als Spitzenkandidatin 2017 das zweitbeste Ergebnis einer Bundestagswahl. Selbst die jüngsten Umfragen mit ihr an der Spitze der Linken oder bei einem Antritt mit einer eigenen Partei zeigen, dass sie über 12% der Bevölkerung wählen würden. Das verdeutlicht, dass ihre Popularität und ihr Politikangebot noch immer auf weitaus größeren Zuspruch treffen, als das was Die Linke im Moment bietet. Die Linke ist mit ihrem Ansatz gescheitert, die massiven Verluste bei der traditionellen Wählerschaft mit Stimmen aus gutsituierten, akademisch urbanen Milieus aus den Großstädten zu kompensieren.
Zudem nahmen wir mit großem Entsetzen wahr, wie die größte linke Friedensdemonstration seit Jahren, der Aufstand für Frieden im Februar in Berlin mit Zehntausenden, nicht nur keinerlei Unterstützung aus der Partei erfuhr, sondern von der Linken aktiv als rechtsoffen diffamiert wurde. Die Partei hat dabei eine aktive Demobilisierungskampagne gefahren. Damit hat sie sich in den medialen Chor der Hetze, denen wir als Mitglieder der Linken bereits ausgesetzt waren, nahtlos eingereiht.
So bitter es ist, aber der Hass in der Partei hat gewonnen. Das haben wir nun erkannt. Trotz alledem. Wir hegen keinen Groll. Das Kapitel Die Linke ist für uns an dieser Stelle beendet. Viele unserer Freunde sind aber noch Teil dieser Partei, mit vielen haben wir stets vertrauensvoll und konstruktiv zusammenarbeiten können. Mit euch werden wir uns immer verbunden fühlen. Wir hoffen uns eines Tages mit euch in einer gemeinsamen Partei wiederzufinden. Die Linke ist für uns nicht der Gegner. Wir wollen die unsoziale Politik der Ampel stoppen. Deshalb braucht es mit BSW auch eine starke Kraft für soziale Gerechtigkeit, Vernunft, Frieden und Freiheit. Wir wollen für diejenigen kämpfen und eine laute Stimme sein, die auch am stärksten von einer Linken gebraucht werden: Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen, Rentnerinnen und Rentner, Erwerbslose sowie Lohnabhängige.
Die Einkommen sind drastisch gering, die Lebensqualität nimmt stetig ab. Die noch immer anhaltend hohe Inflation wird von der Unfähigkeit der Ampel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik begleitet. Statt mit einem Industriestrompreis sowie preiswerten Gas-Importen eine Abwanderung der energieintensiven Industrie zu verhindern und private Haushalte zu entlasten, belastet die Regierung mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Gas im kommenden Jahr die ohnehin schon in der Krise stark gebeutelten Familien und produzierenden Unternehmen. Der festgefahrene Krieg in der Ukraine wird mit deutschen Waffenlieferungen weiter angeheizt, statt sich ernsthaft um diplomatische Friedenslösungen zu bemühen. Dieser Krieg gefährdet massiv den Weltfrieden. Infolgedessen und wegen der deutschen Sanktionspolitik droht dem Land, das als exportstarke und rohstoffabhängige Industrienation massiv auf preiswerte Energie angewiesen ist, mit der Abwanderung wichtiger Teile der deutschen Industrie die Deindustrialisierung. Auch andere militärische Konflikte nehmen weiter zu und stellen in ihren wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen eine massive Herausforderung für viele Länder und insbesondere den globalen Süden dar.
Wer in diesen Fragen, aber auch in vielen anderen abweichende Positionen zum Ausdruck bringt, die nicht dem Narrativ des Mainstreams entsprechen, wird schnell in eine bestimmte Ecke gedrängt. Wir brauchen wieder offene und liberale Debatten. Die AfD profitiert von all diesen Problemen aktuell in hohem Maße. Wir sehen es als unsere Verantwortung an, das Erstarken der Rechten zu verhindern und dazu beizutragen, dass es wieder ein seriöses politisches Angebot für Menschen gibt, die mit der Politik der Regierung unzufrieden sind, damit sie nicht die AfD wählen müssen. Auch Nicht-Wähler wollen wir für die Demokratie zurückgewinnen. Deshalb unterstützen wir das Bündnis Sahra Wagenknecht.